Rede zur Austellung „escape’s“
„Es ist die Sehnsucht, die mich oft so tief hinab wirft
und oft weit nach vorne treibt in diese Welt … unsere Welt.“
Claudia Maschek, 1980
Malerin, Dichterin und Performerin – Claudia Maschek. Die 1955 in
Rheydt geborene Künstlerin versteht ihr Leben als Reise, auf der sie mit
den Unwägbarkeiten des Lebens konfrontiert wird und stetig weitergeht.
Ihre stärkste Ressource: die Fähigkeit, immer wieder aufzustehen. „Ein
Funke ist in mir, der will leben.“ Die zierliche Frau ist offen für
Neues und Experimente.
Jeder Schritt bringt sie ein Stück näher zu sich selbst, bringt ihre
ureigenen Kompetenzen zusammen, verbindet das Natürliche mit dem
Konstruierten. Jedes Bild ist eine Reise, auch wenn sie nicht weiß,
wohin sie gehen wird: „Das weiß ich hinterher. … Ich habe keinen festen
Plan. Der offenbart sich während des Arbeitens.“
Schon früh spürt sie diese tiefe Sehnsucht, die Sehnsucht nach dem
Leben und dessen Gehalt. Zugleich ist es die Suche nach den eigenen
Talenten. Tief im Inneren nimmt sie bereits in ihrer Kindheit einen
starken Gestaltungsdrang war. Sie ist ein leises Kind, das beobachtet,
sammelt und versucht, mehrere Dinge zusammen zu fügen. Eine
Herangehensweise, die schon zu Beginn ihres Schaffens in ihrer Kunst
sichtbar wird. In ihren späteren Werken gibt es verschiedene
Materialien, Zeitgrenzen werden durch Schicht-Malereien
durchbrochen, ihre eigene Lyrik fließt in ihre Bilder ein. Sie vollzieht
eine doppelte Äußerung durch das Bild und die Sprache.
„Bin ich richtig? Genüge ich den Anforderungen der Welt?“ Auf solche
Fragen findet sie auf ihren Reisen Antworten. Ihr Blickwinkel verändert
sich: Sie schaut nicht mehr auf das, was fehlt, sondern auf das, was da
ist. Und zieht ihr Fazit: „Ich muss nicht vollständig sein.“
Mit 40 Jahren schließt sie ab mit dem bisherigen Beruf, der keiner
war, und wendet sich ganz der Malerei zu: „Ich schenkte mir die
Kündigung und fing endlich mit der Kunst an.“
Auf diesem Weg hin zu einem eigenen künstlerischen Selbstverständnis
und Anspruch begegnet ihr Jo Bukowski, Maler und Dozent an der Alanus
Hochschule, Alfter. Durch ihn erfährt sie eine „Freiheit im Kopf und
Handeln“. Fortan erlaubt sie sich, Materialien frei von
Kostengesichtspunkten zu nutzen, einfach zu machen und im
Schaffensprozess in Bewegung zu sein. Sie bekennt sich zu sich selbst,
erlaubt sich immer wieder zu zerstören, neu zu machen. „Auch wenn es
zehn Farbschichten sind, auch diese zehn Farbschichten haben ihr Leben.
Ich kann darunter etwas rausholen. Es ist ein Weg der Annäherung, der
immer tiefer geht, letztendlich zu Dir selbst.“
Claudia Maschek findet Worte und Bewegungen. Ihre Pinselstriche sind
Bewegung pur: sanft, dynamisch, stark. Ihre Motive sind archaisch.
Häufig gibt es Figuren, die in Bewegung sind, die Tänzer sind. Ihre
Liebe gehört den Erdfarben, rote und gelb-ockerfarbene Pigmenten, die
relativ licht- und wetterfest sind. Das Rot, bereits von Höhlenmalern
vor circa 35.000 Jahren benutzt, ist auch für Claudia Maschek Ausdruck
lebenserhaltener Kräfte.
Der rote Faden
Ihre Krankheit schenkt ihr die Erfahrung, dass sie auf ihre Kraft, auf
ihren inneren Reichtum vertrauen kann. Sie verliert ihren Anspruch und
gewinnt Vertrauen in sich selbst: „Ich bin nicht nur das, was man mir
beigebracht hat. Ich bin, was ich bin. Und viel mehr.“ Nun macht sie
sich auf die Reise nach ihrem inneren Raum und ihrem Körper, ihrer
Körperlichkeit.
In der Malerei erfährt sie eine Begrenzung, sie will sich weiter
ausdehnen. Der Raum wird zum zentralen Thema. Sie beginnt mit Collagen,
geht in die dritte Dimension, experimentiert mit Sprache. Schließlich
ist es der Körper durch die Krankheit stark ins Bewusstsein und
Empfinden gerückt, den sie in den Mittelpunkt stellt. Eine Sehnsucht
nach körperlichem Ausdruck wird spürbar. Claudia Maschek will nicht nur
einfach tanzen, sondern empfindet eine tiefe Sehnsucht in ihrem Körper
sich zu äußern. Der Körper als Raum, wird für sie zum Mittler zwischen
Innen und Außen.
„Die Sehnsucht macht mutig Neues und auch Schwieriges, Undenkbares auszuprobieren.“
Und es mag zufällig aussehen, doch ihr weiterer Weg scheint einer
inneren Bestimmung zu folgen. Sie begegnet auf ihrer Reise nach innen
der Kunst des Butoh. Hier gibt es keine Festschreibungen, keine
Wertungen. Vielmehr pulsiert der Tanz zwischen Sinnlichkeit und
Groteske, zwischen Humor und Absurdität. Hier ist es möglich, zwischen
bizarrer Wildheit und meditativer Versenkung zu pendeln. Für Claudia
Maschek ist es eine Malerei mit dem Körper, ein inneres, existentielles
Ausdrücken hin zu dem eigenen Sein, nach der Seele, Wachstum und
Entwicklung zugleich. Er bietet ihr die Möglichkeit, Altes abzustreifen,
um Neues zu finden und zu verweben. In ihrem Stück „Häutungen“ trägt
sie dies nach außen. Sie vermittelt innere und äußere Räume.
Raum als Thema
Und so ist auch der Titel dieser Ausstellung „Espaces“ zu verstehen, als
begehbarer mit allen Sinnen wahrnehmbarer Raum. Hier verbinden sich
Bilder mit Sprache und Körper.
Claudia Maschek lässt Sie teilhaben an ihren Reisen, an ihren
Lebenswegen hin zu einem erfüllten, reichen Leben. „Ich will ihn reich
und üppig haben, meinen Garten. ICH BIN.“
Gerda Ehrlenbruch